Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 26.03.2020 festgestellt, dass ein in Widerrufsbelehrungen bezüglich Verbraucherkrediten verwendeter Kaskadenverweis dazu führt, dass der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde.
Als Kaskadenverweis wird in Widerrufsbelehrungen der Verweis auf eine Norm bezeichnet, in welcher wiederum auf weitere Normen verwiesen wird. Um sämtliche Informationen bezüglich des Widerrufsrechts zu erhalten, müsste ein Verbraucher somit die verschiedenen gesetzlichen Regelungen studieren. Die für den Widerruf erforderlichen Informationen ergeben sich somit nicht nur aus den dem Verbraucher durch die Bank zur Verfügung gestellten Unterlagen. Doch genau dies ist nach Auffassung des EuGH für eine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerrufsrecht aufgrund der europäischen Richtlinie für Verbraucherkredite erforderlich.
Folge einer nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung ist, dass der Kreditnehmer auch noch nach Jahren des Abschlusses den Widerruf des Darlehensvertrages erklären kann. Ein wirksamer Widerruf hat zur Folge, dass der Kreditnehmer ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung aus dem Darlehensvertrag aussteigen kann. Dies macht zum Beispiel dann Sinn, wenn der Kreditnehmer bei einer anderen Bank ein günstigeres Angebot zur Finanzierung der Restdarlehenssumme erhält. In Zeiten der Niedrigzinsen ist dies aktuell im Vergleich zu älteren Darlehensvertragskonditionen oftmals der Fall.
Der genaue Wortlaut der durch den EuGH kritisierten Formulierung lautet:
„Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehnsnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat“
Diese oder ähnliche Formulierungen finden sich in einer Vielzahl von Widerrufsbelehrungen.
Ob dies nunmehr jedoch in jedem Fall zu einem Widerrufsrecht des Kreditnehmers führt, ist nicht mit absoluter Sicherheit zu sagen. So findet sich dieser Kaskadenverweis in Musterwiderrufsbelehrungen, welche durch den Gesetzgeber vorgegeben wurden. Hier hat der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit stets entschieden, dass Banken sich auf die sog. Gesetzlichkeitsfiktion berufen dürfen. Dies bedeutet, dass von einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung auszugehen ist, wenn man sich ohne jegliche Abänderung an die Vorlage des Gesetzgebers gehalten hat. Ob diese rechtliche Bewertung im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH zu halten ist, wird von der Rechtsprechung jedoch bereits angezweifelt. So hat das Oberlandesgericht Dresden (Az. 8 U 63/20) bereits diesbezügliche Bedenken geäußert. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (Az. I 6 U160/19) hingegen, verweist weiterhin auf das Bestehen der Gesetzlichkeitsfiktion. Hier wird abzuwarten sein, wie sich die Rechtsprechung im Laufe der Zeit positionieren wird.
Banken, welche Änderungen an der Musterwiderrufsbelehrung vorgenommen haben, können sich jedoch nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen. Abänderungen an der vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Musterwiderrufsbelehrung sind in der Bankenbranche nicht unüblich und wurden von vielen Bankhäusern vorgenommen. Hier gilt es jede einzelne Widerrufsbelehrung zu überprüfen. Bei diesen Widerrufsbelehrungen dürfte sich aufgrund der Entscheidung des EuGH eine neue Möglichkeit zum Widerruf von Darlehensverträgen für Verbraucher ergeben.
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