Der Bundesgerichtshof setzt sich in seiner Entscheidung VII ZR 81/17vom 26.04.2018 mit folgendem Fall auseinander:
Die Beklagte führt im Jahre 2004 eine öffentliche Ausschreibung durch, an der sich die Klägerin mit einem Angebot für eine mobile Stahlgleitwand beteiligte. Die Ausschreibung erfolgte unter Einbeziehung der VOB/B (2002). In der Ausschreibung wurde eine Frist für die Ausführung der Leistungen angegeben, nämlich September 2004 bis April 2006. Gegenstand der Ausschreibung waren weitere besondere Vertragsbedingungen, wonach mit den Arbeiten spätestens 12 Tage nach Zuschlagserteilung zu beginnen war. Die Binde- und Zuschlagsfrist sollte am 02.09.2004 enden. Die Beklagte bat mehrfach -auch die Klägerin- um Verlängerung der Binde- und Zuschlagsfrist, zuletzt bis Ende März 2006. Am 30.03.2006 erteilte die Beklagte der Klägerin den Zuschlag.
Die Klägerin hatte im Hinblick auf die Teilnahme an der öffentlichen Ausschreibung die angebotene mobile Stahlgleitwand vorgehalten. 2005 begann sie damit, die Stahlgleitwand auf anderen Baustellen einzusetzen, was dazu führte, dass die Klägerin, nachdem ihr der Zuschlag im März 2006 erteilt worden war, nunmehr anderweitig eine Stahlgleitwand anmieten musste. Sie erstellte nunmehr ein Nachtragsangebot und machte auch in der Schlussrechnung Mehrkosten für die Vorhaltung der Stahlgleitwand wegen der mehrfachen Verlängerung der Zuschlagsfrist geltend. Insoweit handelt es sich um eine Fallkonstellation, die in der Praxis in dieser oder ähnlicher Form häufig anzutreffen ist. Während die Klägerin als Auftragnehmerin mit ihrer Klage beim Oberlandesgericht Rostock noch überwiegend Erfolg hatte, hob der Bundesgerichtshof die Vorderrichter auf und wies die Klage ab.
Die Klägerin hatte die Vorhaltekosten auf der Basis von Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes für allgemeine Geschäftskosten kalkuliert.
Zunächst stellte der BGH fest, dass die Parteien einen Vertrag abgeschlossen haben, der einen spätesten Ausführungsbeginn, 12 Werktage nach dem 02.09.2004, festlegte. Dieser Vertrag sei durch das Angebot der Klägerin, das diese in der Ausschreibung abgegeben hat, und das Zuschlagsschreiben vom 30.03.2006 zustande gekommen. Darauf, dass zu diesem Zeitpunkt der Termin für den Beginn der Ausführung abgelaufen war, komme es nicht an. Nach ständiger Rechtsprechung sei ein Zuschlag im Vergabeverfahren so auszulegen, dass er sich auch auf den Zeitablauf der bereits gegenstandslos gewordenen Fristen und Termine bezieht.
Sodann stellt der BGH klar, dass ein Mehrvergütungsanspruch in Anlehnung an § 2 Abs. 5 VOB/B bestehen kann, wenn es durch eine verzögerte Vergabe zu einer Verschiebung der Ausführungsfristen kommt. Diese könne Auswirkungen auf die Ausgewogenheit von Leistungen und Gegenleistungen haben. Bei einer Verzögerung im Vergabeverfahren könne es erforderlich werden, dass die Parteien sich über eine Anpassung der Vergütung verständigen müssen. Kommt eine solche Verständigung nicht zustande, sei der Vertrag ergänzend auszulegen. Bei dieser Auslegung komme es darauf an, was redliche Vertragspartner bei einer angemessenen Interessenabwägung nach Treu und Glauben vereinbart hätten. Auf den vorbeschriebenen Fall übertragen, sei aber zu berücksichtigen, dass die Klägerin keine Mehrvergütung in Anlehnung an § 2 Abs. 5 VOB/B wegen einer Verschiebung der Ausführungsfristen geltend gemacht hat, sondern vielmehr Ersatz von Vorhaltekosten im Zeitraum bis zur verzögerten Zuschlagserteilung geltend mache. Insofern gehe es nicht um nach Vertragsschluss eingetretene Veränderungen, sondern allein um die verzögerte Erteilung des Zuschlages und die damit einhergehende Störung der vorvertraglichen Rechtsbeziehung.
Geprüft wird dann zunächst ein Schadenersatzanspruch gemäß § 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1, 280 Abs. 1 BGB. Ein solcher Anspruch wird mit der Begründung abgelehnt, dass es nicht um in Erwartung des Vertragsschlusses getätigte konkrete Aufwendungen geht, sondern um eine Entschädigung für das Vorhalten der Leistung bis zur Erteilung des Zuschlages. Diese Leistung sei nach Maßgabe des § 642 BGB auf der Grundlage der für die Leistung kalkulierten Vergütung einschließlich eines Zuschlages für allgemeine Geschäftskosten berechnet worden. Der BGH lässt in diesem Zusammenhang ausdrücklich offen, ob ein Fehler im Vergabeverfahren überhaupt einen Anspruch auf Ersatz von solchen konkreten Aufwendungen begründen kann.
Die geltend gemachte Forderung stünde der Klägerin weder in direkter, noch entsprechender Anwendung des § 642 BGB zu.
§ 642 BGB sehe verschuldensunabhängig einen Entschädigungsanspruch des Auftragnehmers vor, wenn der Auftraggeber nicht ordnungsgemäß mitwirkt und hierdurch in Annahmeverzug gerät. Entschädigt würde also die Wartezeit des Auftragnehmers. Kompensiert werden die Kosten für Personal, Geräte und Kapital. Vorliegend geht es aber um Zeiträume vor dem eigentlichen Vertragsabschluss, sodass keine Mitwirkungsobliegenheit der Beklagten, die einen solchen Anspruch unmittelbar auslösen könnte, bestand.
Insbesondere sei kein Annahmeverzug des Beklagten durch eine Rückwirkung der Zuschlagserteilung auf den Zeitpunkt des ursprünglichen Ablaufes der Bindefrist begründbar. Das ergebe sich aus dem Verhalten der Parteien, die im Rahmen der Bindefristverlängerung und der Zuschlagserteilung einen neuen Vertrag schließen wollten, aber über Fristen und Preissteigerungen eine Einigung herbeiführen wollten. Komme es nicht zu der nachträglichen Einigung, existiere eine zu füllende Regelungslücke, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist. Dabei ist die Bauzeit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles anzupassen. Bauerschwernisse oder –erleichterungen sind zu berücksichtigen. In Annahmeverzug könne der Beklagte aber nicht geraten, da zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung die Ausführungstermine bereits abgelaufen waren.
Auch eine entsprechende Anwendung des § 642 BGB scheide aus, da eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches dieser Vorschrift auf den vorvertraglichen Zeitraum daran scheitere, dass keine vergleichbare Interessenlage gegeben ist. Hier sei der Gesetzgeber gefordert. Soweit dieser keine Regelung treffe, sei es nicht angebracht, eine verschuldensunabhängige Haftung auf den vorvertraglichen Bereich auszudehnen.
Die Klägerin nehme die Vorhaltung ihrer Leistung in Kauf, weil sie darauf hoffe, dass ihr der Zuschlag erteilt werde. Insoweit seien die ihr entstehenden Vorhaltekosten Vertragsakquisekosten, die sie selber zu tragen habe. Sie handele insoweit auf eigenes Risiko. Der Beklagte, der das Vergabeverfahren betrieb, schuldete der Klägerin nicht die Erteilung des Auftrages, sondern lediglich die Durchführung eines vergaberechtskonformen Verfahrens. Es sei ungewiss, wer von den Bietenden den Zuschlag erhalte und wann der Zuschlag erteilt werde. Diese Ungewissheit sei das allgemeine Risiko eines jeden Bieters in einer öffentlichen Ausschreibung. Der Bieter sei insoweit auch hinreichend geschützt, da sein Angebot befristet ist und er es in der Hand habe, ob er der Verlängerung der Bindefrist zustimmt oder diese ablehnt. In der Zustimmung zu einer Bindefristverlängerung liege die Erklärung, dass der angebotene Preis bei unveränderter Leistung und unveränderten Leistungszeiten bis zum Ablauf der Bindefrist gelten solle.
Schließlich hätte die Klägerin berücksichtigen müssen, dass nach Ablauf der in der Ausschreibung genannten Bindefrist im Wege der Vertragsanpassung ein neuer Ausführungstermin zwischen den Parteien zu vereinbaren war. Insofern hätte keine Veranlassung für sie bestanden, die mobile Stahlgleitwand während der gesamten Dauer der verzögerten Vergabe vorzuhalten.
Das Bundessozialgericht hat am 03.11.2021 mit der Entscheidung B 11 AL 6/21 R die bisherige Handhabung der Bundesagentur für Arbeit bei der Berechnung von Kurzarbeitergeld für Grenzgänger verworfen...
mehrIn einer Zeit der Bauverdichtung insbesondere in den Ballungsgebieten häufen sich die Fälle, in denen sich Mieter über Baulärm und Schmutzemissionen, die von Baustellen auf Nachbargrundstücken...
mehr