Das Landesarbeitsgericht Köln hat sich in seinem Beschluss – 9 Ta 229/18 – vom 13.02.2019 mit der Frage auseinandergesetzt, ob in einem „Handelsvertreterfall“ der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit eröffnet ist. Zugrunde lag ein Sachverhalt, in dem ein Unternehmen einer natürlichen Person „als Freiberufler“ den Alleinvertrieb für bestimmte Produkte in bestimmten Postleitzahlgebieten übertragen hatte. Der „Freiberufler“ sollte neben einer Provision zusätzlich ein monatliches Fixum von 3.500,00 € zuzüglich Umsatzsteuer erhalten. Das Unternehmen stellte dem „Freiberufler“ unter anderem einen Dienstwagen mit Fullservice auch zur uneingeschränkten privaten Nutzung sowie einen Laptop zur Verfügung. Im Gegenzug verpflichtete sich der „Freiberufler“ zu einem Mindestnettoumsatzvolumen von 200.000,00 €. Sollte er dieses Ziel nicht erreichen, war das Unternehmen zur sofortigen Kündigung des Vertrages, zu einer Neuordnung des Vertriebsgebietes oder des Kundenkreises oder der Vertragsprodukte berechtigt. Der „Freiberufler“ durfte nur mit schriftlicher Einwilligung des Unternehmens für andere Firmen im Bereich Licht tätig werden oder sich an einem Konkurrenzunternehmen beteiligen. Weitere Vertretungen in diesem Bereich hatte er des Weiteren anzuzeigen.
Es kam wie es in solchen Fällen kommen muss. Das Umsatzziel wurde nicht erreicht und der Vertrag fristlos gekündigt. Der „Freiberufler“ erinnerte sich an die Wohltaten eines nicht selbständigen Beschäftigungsverhältnisses und griff die Kündigung beim Arbeitsgericht an. Während das Arbeitsgericht sich noch als unzuständig erachtete und den Weg vor die Arbeitsgerichtsbarkeit als nicht eröffnet sah, hob das Landesarbeitsgericht Köln diese Entscheidung auf und setzte sich mit den einzelnen vertraglichen Absprachen auseinander.
Bekanntermaßen sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus einem Arbeitsverhältnis sowie für Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen oder nicht Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zuständig. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG enthält keine Definition des Begriffes des Arbeiters oder Angestellten. Es ist ständige Rechtsprechung, dass Arbeitnehmer derjenige ist, der im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Dem gegenüber ist nicht weisungsgebunden, wer im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Das Weisungsrecht selbst kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Für die Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, ist stets eine Gesamtschau vorzunehmen.
Das Landesarbeitsgericht stellt zunächst klar, dass es für die Beurteilung eines Vertrages nicht darauf ankommt, wie der Vertrag überschrieben ist oder wie die Tätigkeit bezeichnet ist. Es ist also völlig unerheblich, dass in diesem Vertrag davon die Rede war, dass der Kläger „als Freiberufler“ tätig werden sollte.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger sich überhaupt an die Arbeitsgerichtsbarkeit gewandt hätte, wenn er in seinem Vertrag als Handelsvertreter bezeichnet worden wäre.
Das Landesarbeitsgericht nimmt zunächst die Definition des Handelsvertreters im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB auf. Danach ist Handelsvertreter, wer ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen selbständig abzuschließen. Selbständig heißt in diesem Zusammenhang, dass er im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit frei bestimmen kann. Das Landesarbeitsgericht kommt zum Ergebnis, dass der Kläger nicht selbständig handeln konnte. Es setzt sich zunächst mit der Frage auseinander, ob die vom Kläger selbst betriebene eigene Homepage für seine Selbständigkeit sprechen konnte. Allerdings setzte sich die Homepage des Klägers gar nicht mit seiner Tätigkeit auseinander, so dass aus ihr keine Aussage darüber abgeleitet werden konnte, ob er selbständig oder abhängig tätig war.
Auch der Umstand, dass er dem Unternehmen Rechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer stellte, begründete nicht die Annahme einer selbständigen Tätigkeit. Das Landesarbeitsgericht sieht dies allein als Folge des Umstandes, dass formal eine selbständige Tätigkeit vereinbart werden sollte und es sich bei den Rechnungsbeträgen um steuerbare Umsätze im Sinne des Umsatzsteuergesetzes handeln sollte. Maßgeblich ist aber nicht, was die Parteien formal vereinbaren wollten, sondern wie die Tätigkeit materiell zu beurteilen war.
Das Unternehmen in seiner Not hatte vorgetragen, die Vergütung des Klägers sei so hoch gewesen, dass sie, wäre sie sozialversicherungspflichtig, die eines Geschäftsführers übersteigen würde. Das LAG stellt dem gegenüber klar, dass die Höhe der Vergütung keine Aussage über die Frage der Selbständigkeit beinhaltet. Die Höhe der Vergütung ist vielmehr das Ergebnis einer freien Verhandlung zwischen den Beteiligten. Für eine selbständige Tätigkeit könne allenfalls sprechen, dass das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt vergleichbar eingesetzter sozialversicherungspflichtiger Beschäftigten liege und deshalb eine Eigenvorsorge zulasse. Das LAG ist dieser Frage konkret nachgegangen und kam zum Ergebnis, dass das Einkommen des Klägers tatsächlich niedriger war als das Jahresgehalt vergleichbarer Angestellter.
Auch der Umstand, dass der Kläger Berichtspflichten hatte, war nicht als Indiz für Selbständigkeit zu werten.
Dem gegenüber war für eine selbständige Tätigkeit zu berücksichtigen, dass der Kläger ein eigenes Büro unterhielt und auch das Recht hatte, für andere Unternehmen tätig zu werden. Berücksichtigt wurde auch, dass er in der Gestaltung seiner Arbeitszeit im Wesentlichen frei war.
Es gab keine festen täglichen Arbeitszeiten. Diesen für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Aspekt relativierte das Gericht dann aber, wozu es die Verpflichtung zur Erzielung eines Mindestumsatzes heranzog. Daraus leitete es ab, dass die Verpflichtung zum Erreichen eines Mindestumsatzes faktisch die Freiheit des Betroffenen in der Festlegung seiner täglichen oder wöchentlichen Arbeitsdauer erheblich beschränkte. Mit einem Selbständigenstatus sei eine solche Vereinbarung über die Erzielung eines Mindestumsatzes nur vereinbar, wenn trotz dieser Verpflichtung ein erheblicher Spielraum für die Gestaltung der Arbeitszeit verbleibt. Da in diesem Zusammenhang auch noch vereinbart war, dass der Kläger an 4 Tagen pro Woche für das Unternehmen tätig und an 2 Arbeitstagen auch noch im Unternehmen selbst präsent sein sollte, interpretierte es diese Aspekte dahingehend, dass sie gegen eine Selbständigkeit sprechen.
Schließlich zog das LAG heran, dass der Vertrag keine Regelung über den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89 b HGB enthielt. Dieses Argument ist wenig überzeugend, da es jedenfalls aus der Sicht des Unternehmens keinen Sinn macht, in einem Handelsvertretervertrag eine Regelung zu § 89 b HGB zu treffen, ist doch jede Einschränkung oder gar der Ausschluss des Ausgleichsanspruches vor Vertragsende unzulässig.
Schließlich verwies das LAG auf die Vereinbarung eines monatlichen Fixums und stellte zurecht fest, dass dies eine für einen Handelsvertreter sehr untypische Vereinbarung war.
Die Vereinbarung über das Fixum war dann aber, weil schlecht formuliert, auch noch unter einem weiteren Aspekt schädlich. Es war nämlich nicht vereinbart, dass dieses Fixum nicht in Zeiten des Urlaubs oder der Arbeitsunfähigkeit des „Freiberuflers“ gezahlt wird, was faktisch dazu führte, dass der Kläger Anspruch auf einen bezahlten Urlaub und auf „Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall“ hatte.
Die Vereinbarung über dieses Fixum, gepaart mit der Überlassung eines „Dienstwagens“, der auch noch privat genutzt werden durfte, führte letztendlich zum Ergebnis und der zutreffenden Einschätzung des LAG, dass das unternehmerische Risiko des Klägers sehr gering war. Dem gegenüber bringt eine echte selbständige Tätigkeit in derRegel ein eigenes, messbares unternehmerisches Risiko mit sich.
Schließlich beurteilte das LAG auch noch die Frage, ob der Kläger seine Dienste höchst persönlich zu erbringen hatte oder Hilfspersonen hinzuziehen durfte. Nach dem Vertrag hatte er sie persönlich zu erbringen. Damit war auch das letzte Indiz für eine selbständige Tätigkeit widerlegt.
Im Ergebnis war damit der Rechtsstreit bei den Arbeitsgerichten zu führen. Wie der Rechtsstreit weitergehen wird, lässt sich absehen. Vermutlich wird sich das Unternehmen nunmehr mit der Frage auseinander zu setzen haben, ob die Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz wirksam ist. Weiter ist zu erwarten, dass Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten sein werden und sich das zuständige Finanzamt wegen nicht einbehaltener und abgeführter Lohnsteuer mit dem Unternehmen in Verbindung setzen wird.
Bei diesem Fall handelt es sich um ein Schulbeispiel dafür, wie wichtig es ist, sich bei einem Vertragsabschluss genaue Gedanken darüber zu machen, was zwischen den Parteien gewollt ist und Verträge entsprechend auszuformulieren. Ein dauerhaftes Fixum in einem Handelsvertretervertrag sollte immer vermieden werden, zumal es mit dem Wesen eines Handelsvertretervertrages nicht in Einklang zu bringen ist.
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